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“Anora” ist DER Abräumer-Film bei den Oscars 2025 – das musst du über das Drama wissen
“Anora” erzählt die Geschichte einer Sexarbeiterin, die den Sohn eines russischen Oligarchen kennenlernt, und wie ihr Leben eine besondere Wendung nimmt: Die beiden heiraten. Wem das nicht passt? Seiner Familie. Die will, dass die Ehe sofort annulliert wird. “Anora” war sechsmal für einen Oscar nominiert –und konnte fünf Academy-Awards gewinnen. Lang wurde der Film mit Mikey Madison als neues Aschenputtel-Märchen à la “Pretty Woman” angepriesen. Aber stimmt das wirklich?
Alles über Oscar-Favorit “Anora”
Du willst wissen, was “Anora” für Mikey Madison und die Sexarbeiterinnen so besonders macht? Dann bitte hier entlang, denn hier ist alles, was wir über Oscar-Favorit “Anora” wissen.
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“Anora”: Darum geht’s
“Anora” klingt wie die moderne Version eines Aschenputtel-Märchens: Die 23-jährige Sexarbeiterin Anora “Ani” Mikheeva lebt in Brooklyn und arbeitet als Stripperin und Sexarbeiterin. In ihrem Job lernt sie den reichen russischen Oligarchen-Sohn Ivan “Vanya” Zakhariv kennen. Der wohnt auch in Brooklyn und ist eigentlich in den USA, um zu studieren –schlägt sich aber lieber die Nächte auf Partys und in Stripclubs um die Ohren.
Vanya bezahlt Ani für diverse sexuelle Dienste und bietet ihr schließlich 15.000 US-Dollar, um eine Woche mit ihm zu verbringen. Hat Vanya vielleicht ein bisschen viel “Pretty Woman” geschaut? Egal, jedenfalls machen sich die beiden in dieser Woche auf den Weg nach Las Vegas, wo Vanya Ani einen Hochzeitsantrag macht –nicht nur aus Liebe, sondern weil Vanya mit dieser Ehe eine Arbeitserlaubnis für die USA bekommen würde und nicht nach Russland zurückkehren und für seinen Vater arbeiten müsste. Trotz Anis Zweifel heiraten die beiden –Las-Vegas-Style!
Das Glück der beiden währt jedoch nicht lange: Sobald Ani zu ihrem Jetzt-Ehemann Vanya in sein Stadthaus in Brooklyn zieht, bekommt Vanyas Familie Wind von der Hochzeit. Und anstatt Glückwünschen machen sich Vanyas Mutter, sein Vater und sein armenischer Patenonkel Toros auf den Weg in die USA, um die Ehe (zwangs)annullieren zu lassen.
Nach einigen handfesten Auseinandersetzungen, einer Nacht voller Stripperinnen, Alkohol und Drogen und wütender Eltern steht die Liebe von Ani und Vanya auf dem Spiel: Es geht um einen Ehevertrag, der nie unterzeichnet wurde und der Ani reich machen würde, und eine Rasenmäher-Mutter, die ihren erwachsenen Sohn vor seinen eigenen Handlungen beschützen will. Wie in einem Fiebertraum steuert “Anora” unweigerlich auf ein dramatisches Ende zu.
“Anora” ist ein Inbild von jugendlichem Leichtsinn, Verliebtheit und dem Drang, bloß nicht so zu werden wie die eigenen (toxischen) Eltern. Das Drama ist gesellschaftskritisch: Es zeigt den Umgang der Gesellschaft mit Sexarbeiterinnen und Stripperinnen, die von der Schicht, die sie für ihre Dienste bezahlt, wie Dreck behandelt werden.
Ist “Anora” das neue “Pretty Woman”? Nein. Es sei denn, man wollte die Originalgeschichte des Films mit Julia Roberts, in der ihre Vivian ursprünglich nicht von einem Prinzen auf einem Schimmel gerettet werden sollte, sehen.
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Diese Auszeichnungen hat “Anora” schon gewonnen
“Anora” hat bei den Filmfestspielen von Cannes 2024 die “Goldene Palme” gewonnen. Das Drama war bei den Golden Globes 2025 nominiert, Mikey Madison war für einen SAG Award und einen Golden Globe nominiert und wurde unter anderem bei den BAFTAS als “Beste Hauptdarstellerin” ausgezeichnet.
“Ich kann nur sagen, dass ich wirklich glücklich bin, dass die Leute so viel über den Film denken und dass er für Gesprächsstoff sorgt. Das ist aufregend”, sagte Madison zur britischen VOGUE über ihre Oscar-Nominierung.
Insgesamt wurde “Anora” 193-mal in verschiedenen Kategorien bei diversen Award-Shows nominiert und konnte 75-mal gewinnen.
Seit den Morgenstunden des 3. März 2025 ist es offiziell: “Anora” ist der große Gewinner der 97. Oscar-Verleihung. In fünf Kategorien konnte sich der Film, der sechsmal nominiert war, durchsetzen, unter anderem wurde er mit einem Academy-Award in der Kategorien “Bester Film”, “Beste Regie”, “Bestes Drehbuch” und “Bester Hauptdarstellerin” ausgezeichnet. Das hat eine Indie-Produktion noch nie geschafft.
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Wer spielt in “Anora” mit?
Mikey Madison (“Once Upon a Time in Hollywood”, “Lady in the Lake”) spielt die Hauptrolle der Anora “Ani” Mikheeva. Den russischen Oligarchen-Sohn Vanya verkörpert Mark Eydelshteyn (). Alle anderen Schauspieler:innen haben primär keine größeren Hollywood-Referenzen, was “Anora” als Independent-Film kennzeichnet –und eine Art Überraschung im Oscars-Zirkus darstellt.
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Für Drehbuch, Regie und Schnitt zeichnet Sean Baker bei “Anora” verantwortlich. Der Regisseur ist für “Anora” zum ersten Mal bei den Academy Awards nominiert, sein größter Hit bisher war der gesellschaftskritische Indie-Film “The Florida Project” mit Willem Dafoe (“Poor Things”). Besonders ist, dass Baker die Rolle der Ani seiner Protagonistin Madison auf den Leib geschrieben hat, nachdem er sie in “Scream” gesehen hatte: “Das ist wirklich etwas Besonderes”, sagte Madison über dieses Privileg. “Ich glaube, ein Teil von mir hatte definitiv ein gewisses Impostersyndrom, aber ich habe versucht, das beiseitezuschieben und mich nur auf die Figur zu konzentrieren”, erklärte sie weiter.
Aber Mikey Madison beteiligte sich aktiv an der Ausarbeitung der Ani: “Ich las Memoiren von Sexarbeiterinnen”, berichtete sie über ihre Vorbereitung auf ihre Rolle in “Anora”. Außerdem habe sie nächtelang Dokumentarfilme und YouTube-Videos mit Titeln wie “Eine Nacht in meinem Leben als Tänzerin” verschlungen, um sich auf Ani vorzubereiten.
Drew Daniels/Universal Pictures
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Das sagt Hauptdarstellerin Mikey Madison über “Anora”
Mikey Madison spielt Hauptdarstellerin Ani in “Anora”. Madison äußerte sich zu ihrer Rolle als Sexarbeiterin und dem Oscar-nominierten Film bereits im Rahmen einer Special Preview, die für Real-Life-Stripperinnen und -Sexarbeiterinnen veranstaltet wurde. “Diese Preview war etwas, das ich schon lange tun wollte”, erklärte Madison gegenüber dem US-amerikanischen Branchenmagazin Variety.
“Ich bin den Tränen nahe, wenn ich darüber rede”, sagte die 25-jährige Schauspielerin weiter. “Der Film ist für Sexarbeiterinnen, das ist das Wichtigste. Dieses Special Screening ist also wirklich etwas Besonderes. Einfach hereinzukommen, und all diese wunderbaren Frauen schlagen ihre High Heels zusammen und applaudieren uns. Das war wunderschön.”
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Wo kann man “Anora” sehen?
“Anora” lief regulär am 31. Oktober 2024 in den deutschen Kinos an. Kurz vor den Oscars kannst du das Drama bei Amazon Prime Video, Apple TV+ und Sky/Wow ausleihen.
Ist “Anora” wirklich so feministisch, wie manche Kritiker:innen behaupten?
Kaum ist “Anora” erschienen, heißt es, dass das ein feministischer Film sei. Aber stimmt das? Oder hat das Drama dieses Label nur verpasst bekommen, weil es um halbwegs empowerte Sexarbeiterinnen geht? Schauen wir uns das doch einmal genauer an.
Okay, okay: Es ist kein großes Geheimnis, dass Hollywood quasi schon immer mit einer bestimmten sexistischen Fantasie hausieren geht, wenn es um Frauen und romantische Beziehungen geht: der Fantasie, dass wahre Liebe bedeutet, dass man als Frau gerettet werden muss. Diese Fantasie läuft immer nach folgendem Schema ab: Eine junge Frau, die sich in einer schwierigen Situation befindet, trifft einen reichen oder mächtigen Mann, allen Widrigkeiten zum Trotz verlieben sie sich ineinander, und die Probleme der Frau lösen sich in Luft auf.
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Das konnte man x-mal auf der großen Leinwand sehen: in Disneys “Cinderella”, in jeder Jane-Austen-Verfilmung, in so ziemlich jedem Netflix-Weihnachtsfilm über einen angeblichen europäischen Prinzen oder eben auch in “Pretty Woman”, das aktuell recht regelmäßig mit “Anora” verglichen wird.
Ist “Anora” das neue Anti-“Pretty Woman”?
“Anora”, so behauptet manche Kritik, sei das neue Anti-“Pretty Woman”: Die Geschichte einer Sexarbeiterin, die eben nicht ihr Hollywood-Happy-End bekommt, wird als feministischer Triumph gepriesen. Echt jetzt? Ein Happy End oder ein Unhappy End sind nicht Gradmesser für Feminismus, auch nicht im Film.
Denn auch “Anora” versäumt, den Sexismus zu thematisieren, der in der “Retter-Fantasie” selbst angelegt ist. Anstatt die Erzählung von “Pretty Woman” umzudrehen und zu sagen, dass sie nicht gerettet werden muss oder sich sogar selbst retten kann, gibt uns der Film eine neue Fantasie, die sich wieder um den Male Gaze dreht. Er suggeriert: “Sie muss nur von dem richtigen Mann gerettet werden, von einem guten Mann – er ist vielleicht nicht reich, aber er wird sie wirklich verstehen.” Im Fall von “Anora” hieße das konkret: Vielleicht könnte nicht der reiche Vanya, aber der loyale Igor Anis Retter sein. Ehrlich, so ein Quatsch.
Ani möchte in “Anora” wirklich gerettet werden, sie will das Leben im schmuddeligen Strip-Club, der nun mal primär die Fantasien von Männern befriedigt, hinter sich lassen. Vanya scheint ihr Hauptgewinn zu sein. Wäre “Anora” ein Märchen mit Happy End, wäre der Film kurz nach der Hochzeit vorbei. Aber “Anora” ist genauso wenig ein Märchen wie das echte Leben.
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In “Anora” gibt es keine Retter, damit ist die “Saviour”-Fantasie hinfällig
Spätestens als die armenischen Schläger Vanya und seine Braut Ani zurück auf den Boden der Tatsachen holen, ist das kurze Glück der beiden vorbei: Die Ehe soll annulliert werden, Vanyas Familie will die Sexarbeiterin Ani nicht akzeptieren. Anstatt um seine Frau zu kämpfen, die ja vor allem auch ihm mit der Aussicht auf eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis in den USA einen Gefallen getan hat, flüchtet Vanya und überlässt Ani mit den Schlägern ihrem Schicksal. Und genau ab diesem Zeitpunkt merkt Ani, dass Vanya nichts von alldem ist, was sie sich erhofft hatte: Der Sohn aus reichem Haus wird sie nie retten können –zwar hat er Geld, aber er hat auch Eltern, die den erwachsenen Sohn keine eigenen Entscheidungen treffen lassen und sie selbst obendrein wie Abschaum behandeln.
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Der Moment, in dem sich “Anora” vom Märchen zur realen Sozialkritik verändert, ist bitter: Es ist herzzerreißend mitanzusehen, wie die Hoffnung des jungen Mädchens auf eine bessere Zukunft, ein besseres Leben zerbricht. Aber Sean Baker versäumt es, sich mit dem Problem der “Retter-Fantasie” selbst zu befassen: Stattdessen scheint der Film zu suggerieren, dass Vanya nur einfach nicht der richtige Retter für Ani war. Vielleicht könnte es ja Schläger Igor sein, denn der scheint sie ja wirklich zu sehen. Aber dass dieses Märchen, von einem einzigen Menschen gerettet zu werden, im echten Leben eigentlich nie aufgeht? Das ist kein Thema in “Anora”.
Baker verpasst es, mit dem Hollywood-Thema zu brechen, nach dem Frauen immer als “Menschen, die gerettet werden wollen” dargestellt werden. In “Anora” wird es noch bizarrer, wenn im letzten Drittel des Dramas nicht aus Anis Sicht erzählt wird, sondern aus der von Igor, dem scheinbar gutherzigen Leibwächter. Durch seinen Blick sieht das Publikum, wie Ani ruhig auf dem Rücksitz eines Autos sitzt, Vanyas Mutter gegenübersteht oder fernsieht.
Warum lässt Baker seine Heldin durch die Augen eines Mannes sehen? Liegt es daran, dass wenigstens eine Person mehr in ihr als “nur” eine Sexarbeiterin sieht? Weil man durch seine Augen wenigstens sieht, dass sie eine kluge, kluge, temperamentvolle junge Frau ist? Das ist eine ausgesprochen merkwürdige Wahl. Schließlich ist Igor doch auch der Typ, der sie entführt und mit einem Telefonkabel gefesselt hat. Aber immerhin sagt Igor von sich selbst, dass er “kein Vergewaltiger” sei. Das gibt Bonuspunkte in dieser bizarren Erzählung, oder?!
Der Film endet mit einer krassen sexuellen Begegnung zwischen Ani und Igor, bei der Ani emotional zusammenbricht. Aber nicht nur Ani bricht in diesem Moment zusammen, sondern auch ihr Traum, ihre Fantasie, in der sie gerettet wird und an die sie sich bis zum Schluss klammerte. POV: Igor, natürlich –nicht Ani. Schade auch.
Also, ist “Anora” jetzt wie “Pretty Woman” oder wie ein Anti-“Pretty Woman”? Unklar. Fest steht, dass die Demontage des “Pretty Woman”-Mythos nicht wirklich stattfindet. Zumindest nicht so, wie wir es erwarten. “Anora” präsentiert letztendlich nichts anderes als eine andere Version derselben “Retter-Fantasie” – wieder im Male Gaze erzählt. Sicher, oberflächlich betrachtet, mag es so aussehen, als ob der Film mit diesem Klischee aufräumt. Aber wenn man etwas tiefer schaut, sieht man, dass die Fantasie immer noch da ist, dass Frauen auch hier immer noch gerettet werden wollen und sich selbst nicht zu helfen wissen –und das alles genauso stark und unerbittlich wie eh und je.
Dieser Artikel wurde mit Textpassagen von unseren Kolleg:innen von GLAMOUR UK erstellt.
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